Hommage an eine kawagrüne RS 250

  • Mein erstes Mopped war 2000 eine DR 650, die ich ein Jahr über Landstraße und durch den Dreck geschunden habe. Nach den ersten Schraubererfahrungen und gezahlten Lehrgeldern war es dann Zeit für was Straßensportlicheres.
    Am Straßenrand stand ein formschönes, uni-kawagrünes Sportmotorrad mit zwei Endtöpfen auf der linken Seite. Liebe auf den ersten Blick. Glücklicherweise ergab sich, dass der Besitzer das Motorrad gerade verkaufen wollte, um mehr Kohle in seinen MX5 stecken zu können. Über den Preis der Aprilia RS 250 mit 16tkm war man sich schnell einig: 5500 Mark. Nur war das Motorrad kurz vor Kauf leider nicht mehr verfügbar: wurde geklaut...
    …und dann wieder aufgetaucht. Ich mir also noch schnell Kohlen vom Vater geliehen und zugeschlagen. Dankenswerterweise gab mir der Verkäufer noch einige technische Tipps mit.
    Die ersten 1.5tkm waren schnell im Spessart und Odenwald runter gespult. Das Gerät machte einen Höllen Spaß! Auch werde ich nie vergessen, wie der 2t2Zyl. durch die Täler hallt, wenn mal jemand bestimmtes anderes mit der Kleinen gefahren ist. Zudem war es die ersten Monate immer wieder eine Freude, das Betttuch von dem sauberen Motorrad abzuziehen und sich an der Form zu freuen.
    Nicht nur die Schraubertipps von Vorbesitzer und 2taktforum, sondern auch die glühenden KAT-Bröckchen, die nachts aus dem Auspuff flogen und die gefahrenen 18tkm führten mich zur ersten (und sicherlich sinnvollsten) Schrauberaktion im damaligen Radladen: Fischer-Schieber, Entlüftung, italienische Auspüffe, entsprechende LLD und angefaste Kolben vom Fiedler wurden spendiert. Damit lief die Kiste dann erstmal anstandslos.
    Was dann folgte, war der intensive und sichere Ritt auf der Kleinen. Als Schuhwerk diente der D207, später in der GP-Version. Die ersten Ausritte am Hockenheimring machten nur bedingt Spaß: auf der Parabolica hatte ich das Gefühl zu parken. Deutlich besser war da Anneau du Rhin geeignet. Fakt ist, dass, egal ob Landstraße oder Rennstrecke, selten mit konstanter Drehzahl und oft nicht unter 8tU gefahren wurde. Irgendwann habe ich dann angefangen, mit Membranen, Verdichtung, LuFiKa und Bedüsung zu spielen. Alles Quatsch, die Kiste lief und die ~3 PS mehr machten den Bock auch nicht schneller. Allerdings machte sich nach guten 30tkm die Fehlkonstruktion des Getriebeausgangs mit der „losen“ Verzahnung bemerkbar.
    Lustig war auch das Treffen mit einem anderen RS-Fahrer im Odenwald: Ach, auch einer aus DA. Italienische Auspüffe, ja? E. fährt die 95er Replica, die auch einfach ein unschlagbares Design hatte. Es entwickelte sich eine langjährige Freundschaft, mit diversen Rennstreckenbesuchen, aber auch übers Motorrad hinaus. Doch auf der Rennstrecke hieß es meistens: E. schraubt, ich nicht ;-).


    Bild RS an Wand


    Was irgendwann folgte, war der denkwürdigste Schraubereinsatz, den ich bisher hatte: das Motorrad in den Keller gehoben und über Silvester die Abwesenheit der beiden architektur-studierenden WG-Mädels genutzt und den Motor in der WG-Küche samt neuem Getriebe+Lagern, gewuchteter Kurbelwelle mit neuen Außenlagern, gehohnte Zylinder etc. wieder zusammen gebaut. Weitere Ausritte auf Rennstrecken erfolgten, eine Saison fuhr ich regelmäßig den kleinen Kurs in Hockenheim. Irgendwann stellte ich fest, dass mir das Rennstrecke fahren viel Laune bereitete und ich eigentlich gerne nur noch Strecke fahren würde. Also nächste Umbaustufe: Aluheck, Kabelbaum gestrippt, Lichtmaschine raus, Kurzhuber dran, Kühlausgleich verkleinert, Rennverkleidung etc. Das Ganze wieder in einer Fahrrad-Werkstadt. Kurz nach dieser Aktion entstand auch das folgende Bild…

    Bild RS vs Cops


    …glücklicherweise ohne nennenswerte Folgen.


    Liebenswerter Weise blieb mir durch E. die Möglichkeit, eine RS auch noch auf der Straße zu fahren, wobei ich mich versuchte, in den Zeiten längerer Rennstreckenabszinenz zumindest vom Fahrstil noch fit zu halten. Auch spielte meine RS „kurzzeitig“ den Organspender für die straßenzugelassene RS von E., (mit LiMa).
    Die letzten 4-5 Jahre fuhr die Kleine nur noch Rennstrecke, geschraubt wurde wenig, gefahren auch. Mal ein Satz neue Reifen hier, mal was Kleines abgedichtet da.
    Lustig war vor 2 Jahren der Versuch, die Kleine morgens zum Laufen zu bringen, nachdem sie nachts draußen gestanden ist und es ihr scheinbar zu feucht und kalt war: sie wollte einfach nicht anspringen und das Ganze artete in Frühsport aus. Ich hatte schon kein Bock mehr. Als sie dann endlich gelaufen ist, ich außerhalb des Fahrerlagers den Motor warm laufen lies und dann eilig zurück fuhr, zog sie mit mir einen freudigen Wheelie (was ich normalerweise nie mache…) und ich wusste: der Spaß kann beginnen!
    Dieses Jahr, 2011, entschied ich mich mit E., mal wieder gemeinsam nach Anneau zu fahren. Diesmal für zwei Tage. Pirelli Supercorsa SC1 gekauf, gebrauchte Reifenwärmer. Was macht man mit einem Rennmotorrad, welches 2 Jahre ungenutzt in der Garage gestanden hat? Probefahrt mit hartem Beschleunigen und Bremsen! Also schnell ein paar Utensilien dran geschraubt.


    Bild Patchwork


    Vor der Abfahrt nach Anneau war ich mir nicht sicher, ob die Kleine das noch überlebt. Ich sagte deshalb: wenn sie das überlebt, dann schreibe ich eine Hommage. Und: everything as usual: E. schraubt, ich chill :winking_face:




    Bis auf ein einmal rausgesprungener Gang war ich eigentlich mehr derjenige, der sich beansprucht fühlte: nach jeden Turn war das T-Shirt nass. Ansonsten war alles wie beim alten: ein riesen Spaß und ein ständiges Überholen: auf der Geraden überholt werden von den dicken Eisen, auf dem Rest der Strecke Kreise fahren um die dicken Eisen.
    Nächstes Jahr werde ich mich glaube ich wieder in HH kleiner Kurs einbuchen und dort die Reifen (auf einer Seite..) runterfahren.




    Mein technisches Fazit für ~50tkm in Stichpunkten:
    - 3 Sätze Kolben verbaut,
    - 1 Mal gehont
    - 1 neue, gebrauchte Kurbelwelle
    - 1 neues Getriebe
    - 1 Satz gefetzte Boyesen-Membrane (nach ~2tkm, das einzige Teil, was wirklich kaputt gegangen ist)
    - 2* Gabel abdichten
    - 2 abgerissene Bremsleitungen hinten, weil Bremsmomentabstütze nicht richtig montiert
    - Keine Probleme mit Motor
    - Immer Getrenntschmierung gefahren
    - 10er Kerzen, aber auch immer geheizt
    -



    Wollt ihr wissen, was m.E. die beste Tuningmaßnahme für die RS ist? Kurzhuber und aufpolstern vom Sitz. Ohne Scheiß, ich hab einfach eine schmale und eine breite Lage Isomatte genommen, draufgeklebt und mit Panzerband überzogen. Super!


    Mein emotionales Fazit für die RS 250:


    10 Jahre RS 250 und nie enttäuscht worden. Wunderschönes, charakterstarkes Motorrad mit hohem Spaßfaktor. Wendig wie ein Fahrrad, aber trotzdem unheimlich stabil. Ich liebe dieses Motorrad und freue mich immer wieder, es zu fahren!
    Trotzdem wird es wohl irgendwann mal was anderes 4takt-mäßiges geben. Ich schiele auf eine VTR SP…



    Danke fürs zuhören und alleberst!


    Jan

  • nabend


    das bild mit dem bullen ist am geilsten


    lach weg :winking_face:


    gruss stihl

  • Schöner Bericht :daumenhoch
    Ich hoffe du bleibst deiner kleinen trotz Neuanschaffung treu, hast ja doch viel erlebt mir ihr :teacher:

    Chostingator

  • :daumenhoch :daumenhoch :daumenhoch :daumenhoch

    Leider vergesse ich aus absoluter Ignoranz immerzu die Namen, der Leute, in dessen Threads ich nichts mehr schreiben wollte!


    Auf die bösen Menschen ist Verlass, sie ändern sich wenigstens nicht


    William Faulkner 1897-1962


    US Schriftsteller & Nobel Preisträger 1949

  • Hallo Jfitzgen,


    wirklich ein schöner Beitrag, der auch zeigt wo so ein Zweitakter hingehört: Auf die Rennstrecke!!!
    Ich kann immer nur die RGV oder RS Fahrer bemitleiden, die auf öffentlichen Strassen herum gurken; die kennen es halt nicht anders oder die Geldbörse ist zu klein...

  • Hallo zusammen,


    also ich muss den Beitrag von Jan (natürlich) ein bisschen relativieren. Wenn ich (an der Rennstrecke) am Schrauben war, dann lediglich um mich um:

    • Undichte Kühlerschläuche
    • Durchtesten von diversen LuFi-Matten
    • Übersiffende Auslassentlüftungen etc.

    zu kümmern! Es sei an dieser Stelle allerdings auch nicht verschwiegen, dass Er der bessere Schrauber von uns beiden ist :respekt:, aber er ist ja ein studierter "vom Fach" :teacher:. Vielen Dank auch nochmals auf diesem Wege für Deine Unterstützung und die "Organverpflanzungen"! Sehr lustig war in der Tat unser Kennenlernen im Odenwald. Mein optischer "Tech-Check" bei Ihm verlief ganz ähnlich. Unsere Freundschaft geht inzwischen weit über das Motorradfahren hinaus. Er ist einer der gaaaaanz Wenigen, dem ich meine RS freiwillig und ohne gleichzeitig mit meiner VTR (leider nur die Firestorm) mitzufahren, in die Hand drücke - das sagt doch schon alles, oder?! Genug der Lobhudelei, zurück zum Thema: Eigentlich schließe ich mich Jan vorbehaltlos an. Ich bin auch lange Zeit auf der RS ohne wirkliche Reparaturen gefahren. Die Montage von Italo Auspüffen halte ich in diesem Zusammenhang natürlich für eine Notwendigkeit :winking_face: . Leider hatte ich dann mit meiner "Diva" ein bisschen Pech und sie hat mich in folgenden Bereichen geärgert:

    • Undichte Gabel (siehe Nickname), allerdings die des 95er Modells!
    • Gebrochener Schieber > Zylinderschaden

    Ich bin auch schon diverseste Motorräder gefahren, kenne aber (außer vielleicht meiner seligen RD 350 1WW YPVS) keines, welches ähnlich wendig war und Spaß gemacht hat. Davon mal abgesehen, dass die RS wirklich auf die Rennstrecke gehört, denn Touren sind damit wohl doppelt so anstrengend wir auf anderen Kisten (z.B. einer VTR :) ).


    Apropos RD 350, einen hab ich noch für Euch: Ich fuhr so mit selbiger durch das "Hesseneck" (vielleicht kennt es der Eine oder Andere) als mir 2 RS 250 begegneten. Das war so um die Jahre 96-97 herum und die Kisten waren soz. "brandheiß". Als ehemaliger Vespafahrer (und Tuner) waren mir ja kleine Rennen nichts Unbekanntes, so forderte ich kurzentschlossen die Kollegen nonverbal zum Sprintrennen heraus. Die Einladung wurde auch prompt angenommen und es entsponn sich daraufhin ein interessantes Szenario: Der 1. RS-Fahrer war schnell abgehängt und der 2. zeigte mir mal so richtig schön seine Auspüffe - leider von hinten. Unten am Berg angekommen wartet er mit den Worten "da haste Dich wohl mit der Katz' angelegt" auf mich. Ich war zu der Zeit auch schon auf der Renne gewesen (Ledenon) und hatte die Fußrasten von der RD dort ordentlich "formoptimiert", aber gegen die RS hatte ich einfach keine Chance - oder habe mir das damals zumindest eingebildet.


    Fazit: Ich verkaufte die RD und kaufte eine RS. Das Geld hat mir damals noch mein Oma geliehen, 8500 DM hat sie gedrosselt und mit 1600km auf der Uhr gekostet! Seit dem - und insbesondere auch mit Jan zusammen, hatten wir viele nette (und auch einige nervige) Momente. Ich möchte die Kiste irgendwie nicht mehr missen. Andere Böcke (wie z.B. eine CBR 600) kauft man sich und verkauft sie auch wieder. Aber wer RS lange fährt macht das aus anderen Beweggründen...


    Auf den Sommer und auf die wieder trockenen Straßen! Durchhalten Jungs (und Mädels?? - ist hier eigentlich auch Weibsvolk anwesend?)


    Erik aka Gabelkiller

  • ja. manchmal kommts einem so vor.
    viele kleine maedchen, die sich gegenseitig an den zoepfen ziehen... :D

    die Kraft der zwei Kerzen

  • ak hat zwar recht mit seiner Meinung, das sowas auf die Rennstrecke gehört, aber ich habe meine erste RGV wieder zurückgebaut für die Strasse. Da wird sie zu besonderen Anlässen (Rennbesuche, Pfingsten) mal bewegt. Klar kommt man da fast nie an die Grenzen, aber mir ist das Teil mittlerweile zu schade, um es auf der Renne zu zerholzen, außerdem gibt es besseres dafür.


    Meine zweite RGV (die erste ist auch noch da) wird ganz original wieder aufgebaut, ich hoffe, das sie Ende des nächsten Monats fertig da steht. Es fehlt nicht mehr viel. Die wird dann auch eher selten bewegt. Und nie auf der Piste, das steht fest. Hat aber nichts damit zu tun, das ich es nicht könnte.


    Ansonsten schönen Dank für die ausführlichen Berichte!!! :freak


    Grüße!


    PS: Habe bestimmt 6000km Rennstrecke mit meiner ersten RGV gefahren, allein ca. 1000 Runden in Most (alt).

  • Seh ich ja jetzt erst...


    Jau, war immer schön mit Dir auf unseren Touren und ich bin auch gerne Deine Kiste mit 100 Sachen und 10 krpm 10 cm an Deinem rechten Ohr vorbeigefahren :-)


    Leider war und bin ich mental einfach nie in der Lage gewesen, ein stark motorisiertes Fahrzeug im Straßenverkehr zu bewegen. Deswegen lasse ich das jetzt schon ganz schön lange sein und mir geht's gut dabei :winking_face:


    Naja, vielleicht liest Du es ja nochmal, falls Du mal wieder online bist...


    Hau rein