Der Amtsschimmel wiehert mal wieder laut und vernehmlich. Aus dem Leitartikel des Heftes "Zweirad" ist zu vernehmen, dass es sich bei allen geminschaftlichen Touren um genehmigungspflichtige Motorsportveranstaltungen handelt! Aber lest selbst:
Die erste Meldung kam im Frühjahr, und sie
klang nicht gut: Telefonisch hatte das Landratsamt
Forchheim beim Wolfmen MC den geplanten
Poker-Run untersagt. Begründung:
Es handele sich hierbei um eine motorsportliche
Veranstaltung. Okay, Run bedeutet in der
deutschen Übersetzung Rennen, kann ja mal
passieren.
Vor ein paar Wochen dann aber der zweite
Streich, wieder aus dem Landratsamt Forchheim:
Cruiserfreunde hatten ein Treffen mit gemeinsamen
Ausfahrten geplant, diese möge man
doch bitte unterlassen, sonst drohe Bußgeld.
Ich rufe bei der betreffenden Stelle an. Und erlebe in zwanzig Minuten
Telefongespräch einen Mitarbeiter, dem meine zugegebenermaßen
provokante Fragerei zwar ziemlich auf die Nerven geht, er aber
doch die selbigen behält und mir erklärt, er berufe sich einzig und allein
auf den Paragraphen 29 der StVO und die dazu erlassenen
Verwaltungsvorschriften.
Im Internet lese ich nach. Auch als Nichtjurist wird mir schnell klar: Der
Mann hat – zumindest nach den Buchstaben des Gesetzes bzw. der Verwaltungsvorschrift
– Recht.
Demnach zählen Ereignisse bereits zur Gattung “Motorsportveranstaltung“,
an die Otto Normalbürger auch im Traum nicht denkt.
Als da beispielsweise wären: 1. Mai, Münchner Straße. Mehr als 30 Fahrzeuge
fahren in einer oder mehreren Kolonnen nach Kloster Weltenburg.
Gleiches Ziel, gleiche Strecke, auch ohne Zeitwertung, das ist nach der Verwaltungsvorschrift
Motorsport.
Fünf Freunde verabreden sich an einer Tankstelle, um gemeinsam zur Kathi
zu fahren. Gleicher Start- und Zielort, gleicher Weg, also Motorsport.
Auch wenn es sich um Cruiser handelt. Der freundliche Mann vom Landratsamt
bestätigt mir diese Tatsache.
Ich werde mutiger, frage ihn, ob denn die Holländer, die in endlosen
Kolonnen geschlossen auf der Autobahn ihre Wohnwagen zum Gardasee
zerren, auch Teilnehmer einer (natürlich nicht genehmigten)
Motorsportveranstaltung sind. Ja, also, wenn sie das gleiche Ziel und in
Kolonnen ...
Das bedeutet im Klartext, und nicht nur im Landkreis Forchheim: Keine
Chancen für Clubausfahrten ohne behördliche Genehmigung samt Auflagen
und Gebühren. Man könne zwar im Minutenabstand starten, wird
mir erklärt, aber dürfe sich unterwegs nicht zu einer Kolonne zusammenschließen.
Und schon gar nicht vorher eine gemeinsame Route ausmachen.
Sonst – richtig: Motorsport!
Die Verwaltungsvorschrift ist nicht etwa neu, sie besteht samt dem dazu
passenden Paragraphen schon seit langer Zeit. Im Internet kann man sich
den vollständigen Gesetzestext mit allen Aus- und Einschlüssen zu Gemüte
führen.
Aus diesem Grund rufen wir natürlich auch dieses Jahr wieder nicht zur gemeinsamen
Herbstausfahrt am 3. Oktober auf, die eigentlich wieder zu Peters
Waldschänke führen sollte und am Drive-In in Erlangen-Bubenreuth
gestartet wäre. Nein, wir waren hier ja nie Veranstalter und werden es auch
in Zukunft nicht sein, da wir unser tapfer vom Anzeigenkunden erbeutetes
Geld nicht für entsprechende Bußgeldbescheide ausgeben wollen.
Natürlich ist es aber durchaus möglich, dass am 3. Oktober ab 9 Uhr ein
paar Biker aus alter Tradition am Drive-In stehen. Und sich, weil sie die
Landstraße juckt und Peters Grillspezialitäten locken, auf den Weg in den
Veldensteiner Forst machen. Sollen sie doch, können wir ja nichts dafür.
Vielleicht hat sogar irgendjemand ein paar Zettel mit einem
Tourenvorschlag vergessen. Den aber dann bitte nicht nachfahren, schon
gar nicht in Kolonne, höchstens im Minutenabstand. Und unterwegs ja keine
Gruppen bilden.
Vielleicht schauen Gregor und ich auch vorbei. Aber wir reden mit niemandem,
bilden keine Gruppen, und fahren so lange um den Drive-In-Kreisverkehr,
bis uns niemand mehr folgt. Wir sind nämlich gesetzestreue Bürger.
Deshalb: Ausfahrten des Harley-Chapters oder MC, gemeinsamer Besuch
einer Veranstaltung, fünf 125er Roller fahren in einer Gruppe zur Eisdiele,
die Heinkelfreunde ins Püttlachtal – alles Motorsport. Muss genehmigt werden,
kostet Gebühren. Ist es eigentlich strafbar, vielleicht im nächsten Jahr
mal zu einem „Motorsportveranstaltungsanmeldeflashmob“ aufzurufen?
Alle an einem Tag aufs Landratsamt … ?
Heute kamen mir um die Mittagszeit mehrfach Teilnehmer völlig illegaler
Motorsportveranstaltungen entgegen. Im Fond des Spitzenfahrzeuges jeweils
ein schwarzgekleideter Herr und eine in vornehmes weiß gekleidete
Frau. Sie trug einen Schleier, wahrscheinlich wollte sie bei einer Kontrolle
unerkannt bleiben. Hinter diesem Fahrzeug fuhr eine lange Schlange weiterer
Rennteilnehmer unter unzulässiger Abgabe von Schallzeichen eng
aufeinandergereiht und ohne Einhaltung der Einminutenregel. Als Startnummernersatz
flatterten weiße Bänder an den Antennen.
Blitzschnell wird mir klar: Wochenende für Wochenende finden in der Republik
hunderte solcher illegalen Rennen statt. Unangemeldet, aber mit gleichem
Start- und Zielort. Und vermutlich darf der Sieger am Ziel auch noch
die Braut küssen