Fahrphysik: Die Kurve und das Gas

  • Fahrphysik ist komplex und man kann immer nur einzelne Fazetten beleuchten...


    Da die Frage aufgekommen ist, möchte ich mal erklären, welche Rolle in einer Kurve der Gasgriff spielt und das man erstaunlich viel versauen bzw. gut machen kann.



    Ein Motorrad ist im Grunde ein fürchterlich instabiles Ding! Es reagiert ganz empfindlich auf alles, dass am oder um Motorrad passiert...


    Um so kritischer ist das in der Kurve, wenn man den maximalen Gripp braucht (Rennstrecke, zu schnell in eine Kurve gefahren, Ausweichmanöver usw.) Hier wäre es also schlecht, wenn man durch irgend eine Aktion den Gripp verringert und auf die Schnauze fliegt.



    Das Gas ist etwas, bei dessen Veränderung sich RICHTIG viel am Motorrad rührt... Aber der Einfluß von ihm in der Kurve wird stiefmütterlich behandelt.



    Die Grundlage:


    Wichtig ist:


    Wir haben ein Ausbalanciertes Motorrad (ca 50/50 Radlastverteilung) aber unterschiedlich große Reifenaufstandsflächen (vorne weniger als hinten)


    Ja aber Moment:
    Würde man völlig neutral durch die Kurve rollen, bräuchte man ja GLEICHE Aufstandsfläche vorne und hinten?!?


    Also muss da was anderes sein:


    Die Dynamische Achslastverteilung... Wenn man Gas gibt, wird das Hinterrad mehr belastet (kennt man), wenn man bremst ODER NUR VOM GAS GEHT (auch der Motor bremst) wird das Vorderrad mehr belastet (kennt man auch -> Stoppies usw.)


    Also sieht die Situation in der Kurve wie folgt aus:


    Man fährt in Schräglage und braucht Gripp.


    Daher sollte man den Reifen vorne ca. 40 % und hinten 60 % der anfallenden Haftung zumuten.
    Wenn man nun leicht, ganz leicht am Gas bleibt, sprich durch die ganze Kurve hinweg beschleunigt, wird das Hinterrad etwas mehr belastet als das Vorderrad.
    Man holt alles an Gripp raus, was geht.


    Doch noch etwas bewirkt das Gas, das gerne immer wieder vergessen:



    Die Kettenreaktionen:


    JAHA, WER hat jetzt ein Fragezeichen im Gesicht stehen?!? NIEEE was gehört von? Ist aber wichtig!
    Also, die Kombination aus Schwingenlänge, Schwingendrehpunkt und Getreibeausgang bringen eine ganz seltsame Reaktion ins Fahrwerk.
    Wenn man Gas gibt, federt das Heck aus!


    Das ganze rührt über von den Kräften her, die durch die einsetzenden Leistung an das Fahrwerk abgegeben wird.


    Daher rührt auch die Fahrwerkseinstellmöglichkeit des "veränderbaren Schwingendrehpunktes"... Da die Stärke des Ausfederns auch die Arbeitsweise der Federung beeinflußt, kann man durch Veränderung des Drehpunktes einstellen, ob das Fahrwerk viel Gas am Kurvenausgang braucht, oder doch eher sanfte Gasabgabe durch die Kurve hinweg...



    Welchen Einfluß das auf den Gripp hat würde zu weit gehen, sieh kleiner Text, aber was anderes darf man nicht vergessen:


    Wenn das Heck beim Gasgeben ausfedert, federt es beim Gaswegnehmen ein!


    Und das verändert die Schräglagenfreiheit massiv.
    Die ganze Fuhre klappt Dir zusammen, wenn man in Schräglage vom Gas geht -> Rasten oder noch mehr setzt auf -> kann ganz doof sein!




    Was aber passiert, wenn man vom Gas geht:


    Aus der ursprünlglichen Reifenbelastung (40/60) wird durch das Bremsmoment des Motors das Gegenteil (60/40)


    Das kann Fatal sein! Der Vorderreifen wird bei gleicher Schräglage um 50% mehr belastet. DAs ist schlicht zu viel!


    Man bekommt nen klassischen lowsider, d.h. das Vorderrad rutscht weg. Ist ziemlich doof.
    Es gibt den Spruch "stay hard on the gas" Das ist kein dummes rummgeprolle, sonder bezeichnet genau DIESE ganzen Vorgänge! Wenn man zu schnell in eine Kurve kommt, oder schlicht maximalen Gripp braucht,


    Muss man trotz allem weiter beschleunigen!!!


    Man muss den Schweinehund bekämpfen und es schaffen, trotz der offensichtlich zu hohen Geschwindigkeit neue Schräglagenrekorde erstellen und immer weiter am Gas bleiben! Stay hard on the gas, oder der Graben winkt!



    Kleine Anmerkung noch am Rande:


    Wenn man bei viiiiel Schräglage so ne Blockade bekommt und vom Gas geht, rutscht meistens (wirklich meistens) das Vorderrad weg. Aber gaanz sanft und sachte... Wenn man gerade das Knie auf dem Boden hat, kann man wunderbar den Rutscher abfangen und die Situation noch retten. Geht meistens gut und man ist tierisch wach hinterher



    So, ich hoffe IRGENDEINER ließt das hier


    #cya

  • Wenn man gerade das Knie auf dem Boden hat, kann man wunderbar den Rutscher abfangen und die Situation noch retten. Geht meistens gut und man ist tierisch wach hinterher


    das ist eher was für profis, hatte mein Knie in der letzten links vor Start und Ziel am Boden und hab vor lauter schiss den Hahn (wirklich nur ganz leicht) zugemacht weil ich schon gemerkt habe das es eng wird, kurz darauf hatte ich kratzer im visier


    wichtig ist aber zu sagen, da es auch sehr doll vom fahrwerk speziell der Gabel und den Reifen abhängt in wieweit man sein Vorderrad belasten kann

  • gsx,


    natürlich wird sowas gelesen!
    Fahr mal mit einer Gummikuh im Grenzbereich mit Zylinderschleifen um die Kurve und nimm das Gas weg. Da hebelt es Dir das Hinterrad aus, so schnell kannst Du garnicht schauen!


    Im Rennsport werden die Kurven mit angelegtem Gas gefahren und bis weit in die Kurve hinein gebremst. Bremse lösen und Gas weiter aufziehen gehen praktisch in einem Zug!


    Die Fahrer versucht durch das Hang off nicht nur die erforderliche Schräglage zu verringern, sondern auch durch eine nach vorn orientierte Haltung das Vorderrad zu belasten, damit dieses nicht wegrutscht!


    Eine ganz einfache Tuningmöglichkeit für unterschiedliche Aufstellmomente am Hinterrad ist das Verwenden unterschiedlich langer Ketten.
    Kurze Kette = Hinterrad ganz vorn = kurzer Hebel = viel Aufstellmoment.
    Umgekehrt lange Kette = Achse ganz hinten = langer Hebel = weniger Aufstellmoment.
    Damit verbunden auch mehr oder weniger Handlichkeit!


    Wir hatten früher den Slogan bei zuviel Geschwindigkeit in Kurven: Drücken - drücken - bis das Ohr am Asphalt schleift!


    Einen Schweinehund muß man freilich überwinden: Wenn das Hinterrad anfängt zu rutschen, am Gas bleiben, sonst kommt es unweigerlich zu einem High Sider!


    Racepa

  • Jau, schon interressant für mich mal so die Theorie zu lesen, aber das ist doch eher was für Könner die im Grenzbereich fahren, oder? Und Grenzbereich geht doch vernünftiger Weise eigentlich nur auf der Rennstrecke.
    Aber was mach ICH so als Landstraßengurker wenn man in der Kurve nicht so tief unten ist und eventuell noch im Leistungsloch hängt?


    Martin

    In Kurven kann jeder schnell fahren, aber auf der Geraden... da brauchst du Leistung!

  • P.S.......für nicht Profis hab ich aber auch einen Tipp.
    Wenn man schnell mehr Schräglage braucht, einfach in der Kurve kurz gegenlenken! (also z.B. in einer Linkskurve am rechten Lenkerende ziehen)
    Das lässt das Motorrad sehr schnell in Schräglage fallen!
    Einfach mal ausprobieren, dazu muss man nicht schnell sein!


    Martin

    In Kurven kann jeder schnell fahren, aber auf der Geraden... da brauchst du Leistung!

  • Zitat

    Original von zwei_im_takt
    P.S.......für nicht Profis hab ich aber auch einen Tipp.
    Wenn man schnell mehr Schräglage braucht, einfach in der Kurve kurz gegenlenken! (also z.B. in einer Linkskurve am rechten Lenkerende ziehen)
    Das lässt das Motorrad sehr schnell in Schräglage fallen!
    Einfach mal ausprobieren, dazu muss man nicht schnell sein!


    Martin


    Macht man doch eigentlich.... automatisch?! Najoa! MeinOnkel glaubt mir bis heute nicht das ich wenn ich in ne Linkskurve fahre nach rechts lenke ^^

  • zwei im takt,


    was macht man als erfahrener Fahrer wenn man.........?


    Eine Kurve schon mal nicht im Leistungsloch fahren!


    Und wenn es wirklich mal eng wird, weil die Kurve sich zuzieht?


    Genau das, was ich meiner Frau seinerzeit gesagt habe, als ich ihr das Motorrad-Fahren beigebracht habe (siehe oben!). Drücken - drücken, bis das Ohr am Asphalt schleift! Das hilft!


    Sie hat es kurz nach der Führerscheinprüfung mit einer BMW R 75/6 geschafft, solch eine Links-Kurve zu schnell anzufahren. Normalerweise wäre sie im Wald gelandet, aber dann hat sie gedrückt, aber wirklich runter bis die Zylinder kurz vorm Aufsetzen waren und es geschafft!
    Ich war kurz dahinter und hätte nicht geglaubt, dass sie es packt!


    Muß man allerdings vorher im Kopf paarmal durchspielen, damit es im Gedächtnis programmiert und im Bedarfsfall abrufbar ist!


    Dies gilt auch für viele andere situationen!


    Racepa


  • bis auf das find ich den Text gut.
    Ich seh das genau andersrum, beim gas geben federt das Heck natürlich ein.

  • Interessanter Aspekt...


    aber schon mal daran gedacht, dass der beste Reifen auch eine Haftungsgrenze hat?
    Auch muss man erst einmal Gefühl für das Moped entwickeln um zu wissen wann der Reifen schmiert.
    Und das weiß man auch immer erst dann, wenn man sich mit rutschendem Hinterrad auf die Schnauze gelegt hat.


    Wenn ich an manche brenzlige Situation denke (die ich schon oft hatte) kam schnell der Reflex vom Kurve Aufmachen.... ist manchmal keine gute Idee :winking_face_with_tongue:
    Mal sehen ob ich den irgendwann mal ausschalten kann.
    Vielleicht werde ich dann schneller :D


    Bei jedem Training ohne Sturz ist man ein kleines Stückchen Schiss mehr los.


    Und mit dem Schleifen bis zu den Ohren hab ich keine Probleme.
    ich weiß nicht ob mein Hang Off sonderlich schön ist.
    Aber die Stiefel und die Knieschleifer verschleißen mehr wie die Reifen, an Schräglage kanns nicht liegen :smiling_face_with_sunglasses: , außer in Most *schiss gehabt*


    Diese Momente kenne ich nicht soo oft. Viel mehr aber das " oh scheiße, zu spät gebremst... oh mann...das Hinterrad des Vordermann...scheiße ist das knapp..das passt niemals... Kiesbett!!! .reinlegen!!! reinlegen!!!!... es passt!!! geil!!! GAS!!! Vorbei!!!"


    Ist das mit dem Grip nicht auch eine Sache des Fahrergewichtes und vor allem des Umlegen auch in Wechseln?


    Dass mehr Grip vorhanden ist ist klar. Gleicher Effekt wie mit einem Allrad-Fahrzeug. In Kurven ist das immer schneller (weshalb ich derzeit 5 Zylinder Allrad fahre :face_with_tongue: )

    ich kompensiere Appetit durch Leichtbau :aha:

  • nicht schleifen um den schleifens willen manuel---- schleifer als sensor nutzen und nur im notfall als "drittes rad"! also knie einziehen!


    ein rutschendes rad muss nicht automatisch "auf-die-schnautze-legen" heissen! am rutschenden hinterrad hat pah´ recht das man nicht aprupt zumachen darf. tut man es doch, wird die überschussdrehzahl des hinterrades sofort in grip umgewandelt und das heisst highsider! mopedreifen können immer nur vortrieb oder seitenführung aufbauen! die kunst ist es vom fahrer die 50% von beiden herrauszuspüren und es umzusetzen!


    ein schwererer fahrer würde ich sagen, hat vorteile was die "dynamische masse" seines körpers selber und die gewichtsverlagerungsmöglichkeiten die sie mitsichbringt angeht. er wird sicher auch weniger schlupf haben an seinen reifen durch die höhere gewichtskraft, die den kraftschluss der reifenreibung ja massgeblich mit beeinflussen! ein leichterer fahrer wird vorteile was das beschleunigen usw angeht haben--- am ende wird der leichtere warscheinlich auf die rundenzeit gesehen vorteile haben.


    SC